Seit dem 1. Januar 2025 ist es unter bestimmten Voraussetzungen möglich, die MWST jährlich abzurechnen. Diese Möglichkeit besteht für Unternehmen mit einem Jahresumsatz bis CHF 5’005’000, sofern dem Antrag durch die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) stattgegeben wurde. In der Praxis bedeutet dies, dass für die ersten drei Quartale (oder das erste Semester) Akonto-Zahlungen geleistet werden und erst für das vierte Quartal eine Abrechnung erstellt und eingereicht werden muss.
Grundsätzlich kann man festhalten, dass sich die jährliche Abrechnung vor allem für KMUs lohnt, die aufgrund ihrer Grösse einen überschaubaren Buchhaltungsaufwand haben, ihre Unterlagen sehr ordentlich führen und in der Vergangenheit immer pünktlich die MWST deklariert und bezahlt haben. Ein gutes Beispiel sind Unternehmen, die ihre Buchhaltung komplett an einen Treuhänder outsourcen.
Es ist in jedem Einzelfall und sehr sorgfältig zu prüfen, ob die Vorteile die Nachteile überwiegen. Daher kann keine generelle Empfehlung zur Umstellung auf die jährliche Abrechnung gemacht werden, sofern die Kriterien überhaupt erfüllt sind.
| + Vorteile | – Nachteile |
| Mehr Effizienz beim administrativen Aufwand und weniger «Abrechnungsstress»: Man muss zwar regelmässig, aber nicht mehr unter Druck, vor Ablauf der Fristen, die Buchhaltung führen, was eine bessere Planbarkeit und Verteilung übers Jahr ermöglicht Die effektive Deklaration der MWST für die ersten drei Quartale entfällt | Hohe Eigenverantwortung für den Unternehmer: Es ist unerlässlich die Umsätze im Blick zu haben und ggf. die Akonto-Zahlungen anzupassen Je nach verwendetem Buchhaltungssystem ist eine manuelle Verprobung und Abstimmung notwendig |
| Bessere Liquiditätsplanung unterm Jahr: Aufgrund der Akonto-Rechnungen ist bereits am Anfang des Jahres klar, wann und in welcherHöhe Zahlungen zu leiten sind | Massive Liquiditätsbelastung bei der Schlusszahlung: Bei unvorsichtiger Planung und zu tiefen Akonto-Zahlungen riskiert man eine hohe Schlusszahlung und ggf. Verzugszinsen |
| Flexibilität: Die Vorauszahlungsraten lassen sich im ePortal anpassen (bis zu 10 Tage vor der Fälligkeit) | Entscheidung mit Folgen: Bindung an die jährliche Abrechnung für mindestens drei Steuerperioden. Die ESTV kann die jährliche Abrechnung widerrufen, unter anderem wenn Betreibungen wegen fehlender Zahlungen eingeleitet werden mussten oder die Akonto-Zahlungen zu stark reduziert wurden |
Erfahrungsbericht:
«Das ePortal der ESTV nutze ich schon seit Jahren für die MWST-Abrechnung meiner Mandanten. Es ist praktisch und bietet für uns Treuhänder einen grossen Nutzen. Man kann sich benachrichtigen lassen, wenn Fristen ablaufen. Die komplette Abrechnungshistorie je Mandant ist verfügbar. Korrekturen und Jahresabstimmungen lassen sich schnell und unkompliziert erstellen und übermitteln. Ich habe nach sorgfältiger Prüfung und Abwägung ein paar wenigen Mandanten, bei denen die Vorteile absolut überwogen, die Umstellung vorgeschlagen. Es handelt sich um Mandanten, die alle Kriterien erfüllen, langfristig niemals die Umsatzgrenze überschreiten werden, immer pünktlich die MWST deklariert und bezahlt haben, die sehr diszipliniert und regelmässig ihre Unterlagen liefern, konstante Umsätze haben bzw. aufgrund ihrer Planung bereits am Anfang des Jahres ihre Umsätze fürs ganze Jahr einschätzen konnten.
Bis Ende Februar 2025 konnte ich online via ePortal die jährliche Abrechnung mit wenigen Klicks beantragen. Das ePortal generiert sofort basierend auf den Abrechnungen des Vorjahrs Vorschläge für die drei Akonto-Zahlungen. Diese lassen sich einfach anpassen. Die Vorauszahlungs-Rechnungen inkl. QR-Einzahlungsschein sind sofort als PDF verfügbar und können heruntergeladen werden. Gegen Ende der Fälligkeit für die Akontozahlung des 1. Quartals 2025 kam eine E-Mail-Benachrichtigung, dass die Zahlungen bald fällig seien. Ich fand das sehr praktisch und hilfreich. Aber ich sehe auch das Risiko, leichtfertig und fahrlässig diese Flexibilität auszunutzen. Ich bin immer offen und neugierig gegenüber Neuerungen, die Vereinfachung bringen sollen, aber der Teufel steckt im Detail und oft hat man keinen massgeblichen Nutzen.»
Die Umstellung auf jährliche Abrechnung verlangt Disziplin und Voraussicht beim Unternehmer bzw. eine speditive Zusammenarbeit mit dem Treuhänder. Diese Wahl birgt diverse Risiken und hat langfristigen Konsequenzen. Ausserdem sind aufgrund der Onlinepflicht (ebenfalls eine Neuerung seit dem 1. Januar 2025) sämtliche Meldungen elektronisch über das ePortal der ESTV vorzunehmen, was voraussetzt, dass man über ein Login verfügt. Nur mit diesem ist es möglich, zum Beispiel den Antrag auf jährliche Abrechnung zu stellen, Anpassungen der Akonto-Grundlage vorzunehmen oder die MWST-Deklaration einzureichen. Ohne Beratung und Unterstützung durch einen Treuhänder birgt die Umstellung zur jährlichen Abrechnung ein sehr hohes Risiko für den Unternehmer. Wenn die Umsätze stark schwanken oder nicht absehbar ist, ob die Grenze von CHF 5’005’000 in absehbarer Zeit (und auf Dauer) überschritten wird macht die Umstellung keinen Sinn. Die Flexibilität, Raten anzupassen verlangt grosse Eigenverantwortung und vorausschauende Liquiditätsplanung. Ferner bieten viele Systeme für die Finanzbuchhaltung Möglichkeiten zur Liquiditäts-Planung. Es gibt diverse Anbieter, die mit KI arbeiten und eine grosse Zeitersparnis bei der Erfassung der Daten bieten. Ausserdem liefern diese Systeme, sofern sie gut konfiguriert sind und von qualifizierten Anwendern genutzt werden auf Knopfdruck alle möglichen Auswertungen, sogar die fertige MWST-Abrechnung.
Fazit:
Es ist gut zu wissen, dass es diese Neuerung gibt, aber sie ist mit grosser Vorsicht zu geniessen und nur sehr eingeschränkt empfehlenswert. Nur eine qualifizierte Fachperson ist in der Lage, die Chancen und Risiken abzuwägen, um dann Empfehlungen auszusprechen. Ohne Beratung oder Unterstützung durch zum Beispiel einen Treuhänder, ist die Gefahr Fehleinschätzungen in diesem Zusammenhang zu treffen immens gross.
Dieser Beitrag dient ausschliesslich zu Informationszwecken und ersetzt keine individuelle Beratung.