Die Schweizer Unternehmens- und Finanzwelt steht in diesem Herbst an einem Scheideweg. Gleich mehrere Entwicklungen könnten die Steuerlast, die digitale Infrastruktur und die Prüfungslandschaft nachhaltig verändern. Im Zentrum stehen:
- die Abstimmungen vom 28. September 2025 (e-ID und Zweitwohnungs-Steuer),
- die OECD-Mindeststeuer und das geplante GIR-Reporting,
- neue Prüfungsstandards für weniger komplexe Unternehmen (ISA for LCE),
- sowie ein angespanntes Umfeld im kantonalen Steuerwettbewerb.
Abstimmungen vom 28. September 2025
e-ID-Gesetz
Die Vorlage für eine staatliche elektronische Identität (e-ID) steht sinnbildlich für den nächsten Schritt in der Digitalisierung der Verwaltung. Für Unternehmen im Treuhand- und Prüfungsumfeld eröffnet das Chancen: digitale Unterschriften, Verwaltungsratserklärungen oder Vollmachten könnten künftig einfacher und sicherer abgewickelt werden.
Beispiel: Eine GmbH, die heute für jede Statutenänderung physische Unterschriften einholen muss, könnte den Prozess künftig vollständig digitalisieren – mit rechtsgültiger Signatur.
Pro: Vereinfachte Prozesse bei KYC, Signaturen und Kundenportalen; höhere Sicherheit.
Kontra: Abhängigkeit von staatlicher Infrastruktur; Kosten für Systemintegration.
Zweitwohnungs-Steuer – indirekter Weg zur Eigenmietwert-Reform
Die Vorlage sieht vor, dass Kantone künftig spezielle Zweitwohnungs-Steuern einführen dürfen. Politisch gilt sie als Schlüssel, um den umstrittenen Eigenmietwert langfristig abzuschaffen.
Auswirkungen:
- Eigentümer könnten künftig keine Hypothekarzinsen mehr abziehen, was die Finanzierung von Wohneigentum verteuern würde.
- Für Zweitwohnungen in Ferienregionen entstünde eine kantonal sehr unterschiedliche Steuerbelastung.
Pro: Einfacheres Steuersystem, weniger Ausnutzung von Abzugsmöglichkeiten, potenziell fairere Verteilung.
Kontra: Verlust steuerlicher Abzüge, Unsicherheit für Bauherren und Investoren, kantonaler Flickenteppich.
OECD-Mindeststeuer & GIR-Reporting
Seit 2024 gilt die OECD-Mindeststeuer (15 %) für grosse Unternehmensgruppen. Ab 2025 will der Bund zusätzlich ein GloBE Information Return (GIR) einführen – ein einheitliches Reporting über Steuerzahlungen und Gewinne in allen Ländern, in denen ein Konzern aktiv ist.
Praxis:
- Für multinationale Konzerne mit Schweizer Teilgesellschaften steigt der Daten- und Dokumentationsaufwand erheblich.
- ERP-Systeme, Konsolidierungssoftware und BI-Tools müssen erweitert werden, um die GIR-Daten zuverlässig abzubilden.
- Auch inländische Tochtergesellschaften können betroffen sein, wenn sie Teil einer internationalen Gruppe sind.
Pro: Einheitliches Reporting, mehr Transparenz, geringere Risiken bei internationalen Steuerprüfungen.
Kontra: Hoher Implementierungsaufwand, zusätzliche Prüf- und Abstimmungsarbeiten, erhebliche Kosten für IT-Anpassungen.
Standortpolitik: Steuerwettbewerb bleibt volatil
Im Mai 2025 haben die Stimmbürger im Kanton Zürich eine Senkung der Gewinnsteuern deutlich abgelehnt. Das zeigt: kantonale Unterschiede bleiben bestehen und Unternehmen müssen ihre Standortentscheidungen noch sorgfältiger abwägen.
Konsequenz:
- Für Firmen mit internationaler Ausrichtung bleibt die Schweiz attraktiv – aber die kantonale Belastung kann zunehmend ein Wettbewerbsfaktor werden.
- Auch die politische Stimmung verändert sich: die Bevölkerung wägt Steuererleichterungen für Firmen zunehmend gegen die Finanzierung öffentlicher Aufgaben ab.
Pro: Stabile Einnahmen für Kantone, klare Priorisierung öffentlicher Investitionen.
Kontra: Weniger Spielraum im Steuerwettbewerb, geringere Attraktivität für Neugründungen.
Wirtschaftsprüfung: LCE-Standard & Künstliche Intelligenz
Die International Standards on Auditing for Less Complex Entities (ISA for LCE) werden in der Schweiz voraussichtlich ab 2026 anwendbar. Ziel: KMU-Prüfungen effizienter gestalten, ohne das Prüfungsziel zu verwässern.
Parallel entwickelt sich der Einsatz von KI in der Wirtschaftsprüfung:
- Journal-Entry-Screening,
- Vollprüfungen ganzer Datenbestände,
- Mustererkennung bei Anomalien.
Aber: Das professionelle Urteil und die Verantwortung der Revisoren bleiben zentral.
Pro: Effizienzsteigerung, Fokus auf risikorelevante Prüfungsfelder, schnellere Ergebnisse.
Kontra: Notwendige Weiterbildung der Prüfer, mögliche Überabhängigkeit von Algorithmen, Investitionen in Technologie.
Handlungsempfehlungen für CFOs & Finanzleiter
Kurzfristig (0–3 Monate):
- Szenarien für die Abstimmungen vorbereiten (insbesondere Eigenmietwert & e-ID).
- GIR-Reporting: Datenanforderungen prüfen, erste Testläufe im Reporting starten.
- Prüfen, ob ISA for LCE für die eigene Prüfung relevant wird.
Mittelfristig (3–12 Monate):
- Standortstrategien aktualisieren: kantonale Unterschiede, Förderlogik, Infrastruktur.
- Digitale Identitäten (z. B. e-ID) in Portale & interne Prozesse integrieren.
- IT & BI-Systeme auf GIR-Datenstruktur vorbereiten.
Wie wir Sie unterstützen
Wir begleiten unsere Mandanten bei:
- OECD-Mindeststeuer & GIR: Aufbau Reporting, Kontrollsysteme, Disclosure-Texte.
- Abstimmungs-Impact-Analysen: Eigenmietwert, e-ID, Standortfolgen.
- Prüfungsplanung: Anwendung des ISA for LCE, Integration digitaler Tools.
- Standortszenarien: Steuerliche Vergleiche, Standort- und Investitionsentscheidungen.
Kontaktieren Sie uns – wir übersetzen komplexe Regulierungen in klare Entscheidungen.